Was leisten Pflegefamilien?

Das, was Pflegefamilien leisten, lässt sich nicht in wenigen Sätzen beschreiben. Es ist vor allem deshalb schwer in Worte zu fassen, weil Pflegefamilien so verschieden sind, so vielfältig und eben auch ganz individuelle Lebensgewohnheiten, Persönlichkeiten und Beziehungen vorhalten. Auf jeden Fall brauchen wir sie, damit wir Kindern, die nicht bei ihren Eltern leben können, familiäre Lebensorte anbieten können.

Mit einer Pflegefamilie wird die Familie des Kindes erweitert. Pflegefamilien stellen ihr privates Leben einem zunächst fremden Kind zur Verfügung, um es vorbehaltlos zu akzeptieren und in seiner Entwicklung zu unterstützen. Wie es ist, in einer Familie zu leben, kann man nur wissen, wenn man selbst Familie erfahren hat. Das Besondere an Pflegefamilien ist, dass dort echte Beziehungen wachsen können. Es gibt keinen anderen Ort in der Gesellschaft, an dem es möglich ist, emotionale Nähe, Liebe, Privatheit, Schutz und Sicherheit und Kontinuität für Kinder erfahrbar zu machen. Bereits bestehende Beziehungen des Kindes haben großes Gewicht bei der Suche nach geeigneten Hilfen. Bevor also eine zunächst fremde Pflegefamilie infrage kommt, muss geprüft werden, ob es Menschen in der Nähe des Kindes (Verwandte, Erzieher, Freunde) gibt, die mit ihrem Beziehungsangebot ausreichend unterstützen können.

Nach § 33 Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) bieten Pflegeeltern eine Hilfeleistung für Eltern in Form von Vollzeitpflege an: „Hilfe zur Erziehung in Vollzeitpflege soll entsprechend dem Alter und Entwicklungsstand des Kindes oder des Jugendlichen und seinen persönlichen Bindungen sowie den Möglichkeiten der Verbesserung der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie Kindern und Jugendlichen in einer anderen Familie eine zeitlich befristete Erziehungshilfe oder eine auf Dauer angelegte Lebensform bieten.“

Pflegefamilien haben eine schwierige Aufgabe zu bewältigen, bei der sie professionelle Unterstützung erhalten sollen. Auch dieser Anspruch auf Unterstützung ist gesetzlich geregelt (§ 37 SGB VIII).

Das Familienleben mit einem Pflegekind ist im Alltag meist völlig „normal“. Es gibt Ärger, Spaß, Krisen, Freude, Spielen und vieles mehr. Dennoch ist für Pflegekinder häufig ein besonderes Maß an Aufmerksamkeit und Zeit notwendig. Oft sind individuelle Förderangebote wahrzunehmen. Gerade zu Beginn eines Pflegeverhältnisses können heftige Stresssituationen entstehen. Häufig handelt es sich  um Kinder, die in ihrer Selbstwahrnehmung eher so geprägt sind, dass sie sich als nicht liebenswert empfinden. Dies drücken sie dann über ihr Verhalten den Pflegeeltern gegenüber aus. Denn es sind ja zunächst die Pflegeeltern, die ein neues Angebot von Nähe und Bindung machen. Ihr Beziehungsangebot steht also von Beginn an auf dem Prüfstand. Das führt dann schon mal dazu, dass Pflegeeltern an sich zweifeln. Der Beginn einer Pflegschaft ist aber nicht das „HappyEnd einer Rettungskette“. Eher ist dieser Beginn ein Aufruf an die professionellen Dienste wie das Amt für Jugend und Soziales und das Pflege-Familien-Zentrum, daran mitzuwirken, dass sich die erlebten, krisenhaften Dramen in der Pflegefamilie nicht wiederholen. Von Pflegeeltern wird hier viel abverlangt. Woher soll das Kind wissen, dass es nicht wieder enttäuscht wird, wenn es sich auf Nähe einlässt? Woraus soll das Kind die Zuversicht nehmen, dass es jetzt vertrauen kann? Pflegeeltern müssen dem Kind helfen, die Grunderfahrung des Angenommenseins nachzuholen und eng mit den sozialpädagogischen Fachkräften kooperieren. Das braucht Zeit und Geduld.

Die Bereitschaft und Offenheit, den Kontakt des Kindes zu den leiblichen Eltern zu fördern, sind ebenfalls Erwartungen an Pflegeeltern. Art, Umfang und Gestaltung dieser Kontakte können individuell sehr verschieden sein. Es gibt Kontaktgestaltungen, die zeitlich sehr intensiv sind, weil es zum Beispiel um eine baldige Rückführung zu den leiblichen Eltern geht. Und es gibt Formen der Kontaktgestaltung, bei der Fotos ausgetauscht und Briefe geschickt werden. Pflegeeltern werden individuell auf ihre spezielle Situation hin beraten und bei der Kontaktgestaltung mit den leiblichen Eltern unterstützt.

Natürlich verändert sich auch viel im bisherigen Familienleben, wenn ein Pflegekind hinzukommt. Bisher gewohnte Wertvorstellungen und Haltungen, zum Beispiel zum Thema Ordnung, Zuverlässigkeit und Planbarkeit, können ins Wanken geraten. Leben noch weitere leibliche Kinder mit im Haushalt, ist es wichtig sie darüber aufzuklären, dass Veränderungen eintreten werden. Möglicherweise entstehen Gefühle von Eifersucht, Verlustängste und damit verbundene Beziehungsdynamiken, die allen neu sind. Diese Dinge sollten offen und transparent angesprochen werden, um einen Umgang damit zu finden.

Und damit kommt ein weiterer wichtiger Aspekt hinzu. Pflegefamilien stehen vor der bizarren Herausforderung, Privatheit und Öffentlichkeit in Balance bringen zu müssen. Das hängt einerseits mit ihrem öffentlichen Auftrag zusammen und andererseits mit ihrem Angebot, diesen Auftrag in ihrem privaten Lebensumfeld zu erfüllen. Damit die Pflegefamilie auch weiterhin in ihrer Privatheit geschützt ist – denn einen anderen Ort des Rückzugs gibt es nicht – ist eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Fachkräften Voraussetzung. So werden die Pflegeeltern ihre selbstgewählte Aufgabe auch als Bereicherung für ihr privates familiäres Leben sehen können. 

Frau Meier (39), Mutter von zwei Kindern und Pflegemutter einer Pflegetochter: „… und es ist unglaublich, aber ich bin so gewachsen an meiner Aufgabe. Ich habe so viel über mich selbst gelernt. Selbstbewusster bin ich geworden und ich kann mich besser abgrenzen. Unserer Pflegetochter geht es gut bei uns. Sie hat so viele wichtige Entwicklungsschritte gemacht. Bei allem, was auch schwierig ist, die positiven Erfahrungen überwiegen. Wir haben alles richtig gemacht …“


Sie wollen mehr wissen? Wie genau wird man jetzt eigentlich zu „Pflegeeltern“? Und welche Arten von Pflegeeltern gibt es? … Weiter >>