Was sind das für Kinder?

Pflegekinder sind in erster Linie Kinder. Sie brauchen Zuwendung, Sicherheit, eine freundliche Umwelt, verantwortungsvoll handelnde Erwachsene sowie Zeit und Ruhe, um sich gesund zu entwickeln. Kinder, für die in Rostock Pflegefamilien gesucht werden, sind meist bis zu 12 Jahre alt. Hin und wieder können sich auch Jugendliche vorstellen, in einer Pflegefamilie zu leben.

Einige Kinder haben geistige oder körperliche Beeinträchtigungen. Es kommt auch vor, dass für größere Geschwisterverbände nach Pflegefamilien gesucht wird. Viele der Kinder haben heftige seelische Verletzungen erlitten, haben Ohnmacht und Hilflosigkeit erfahren. Einen geregelten Tagesablauf kennen sie nicht, auch keine konstanten und verlässlichen Bezugspersonen. Wenn Kinder nicht mit Wärme, Nähe, Essen, Trinken und Schutz versorgt werden, dann hinterlässt das Spuren, manchmal auch traumatische.

Tim (5) liebt es, Straßenbahn zu fahren und im Hafen die Schiffe zu zählen. Er stellt seine Fragen viele Male und braucht auch viele Male die gleichen Antworten. Er wohnt in einer Wohngruppe mit acht anderen Kindern. Seine Mama starb als er vier Jahre alt war. Seine Geschwister sind um einiges älter und leben in anderen Wohngruppen. Sein Vater ist alkoholkrank. Er ist jedes Wochenende mit Tim unterwegs. Mehrere Beziehungsabbrüche hat Tim bereits erlebt. Vermutlich kann er daher auch nicht gut unterscheiden, mit welchen Menschen Nähe möglich ist und bei welchen Menschen man eher Abstand hält. Er wirkt unsicher, kann sich nicht konzentrieren und ist ständig körperlich angespannt. Nachts nässt er ein.  Am liebsten möchte er bei seinem Vater leben. Sein Vater schätzt aber selbst ein, dass er im Alltag nicht so präsent sein kann, wie es für Tim nötig wäre.

Besonders – in jeder Hinsicht

Seelische Verletzungen verschwinden nicht so einfach. Sie werden im Verhalten der Kinder sichtbar, d.h. sie sind  in ihrer Entwicklung meist langsamer als Gleichaltrige. Andererseits machen diese Kinder enorme Fortschritte, wenn sie endlich in einem nährenden und stabilisierenden Umfeld leben.

Pflegekinder haben häufig heftige Gefühlsausbrüche, die sie aus sich heraus kaum regulieren können. Sie sind quasi ihren körperlichen Vorerfahrungen ausgeliefert und brauchen sehr viel Halt und Zuwendung von außen. Stärkung und Ermutigung sind also wichtige Wegbegleiter beim Heranwachsen dieser Kinder. Eng verbunden mit den prägenden Erfahrungen der ersten Lebensjahre ist auch die geistige Entwicklung der Kinder. So sind schulische Lernerfolge nur mühsam zu erreichen. Das kann daran liegen, dass die Kinder zu sehr damit beschäftigt sind, Sicherheit und Vertrauen in ihrer Umgebung zu hinterfragen. Ein Kind, das sich nicht sicher ist, ob die Mama am Nachmittag nach Hause kommt oder wieder für mehrere Nächte weg bleibt, kann sich nicht auf eigene Lernprozesse einlassen. Dieses Kind ist nicht im Hier und Jetzt. Solche Erfahrungen können die Bereitschaft und die Fähigkeiten einschränken, die für das Lernen notwendig sind.

Gleichzeitig  stellen wir immer wieder fest, dass wir die Kinder nicht nur als passive und ohnmächtige Opfer betrachten sollten. Immerhin haben sie bewegte Zeiten „überstanden“, in denen sie sehr aktiv sein mussten. Oft haben sie selbst Verantwortung übernommen – für sich, für ihre Geschwister und vermutlich für ihre Eltern. Manche mussten sich selbst um ihr Essen kümmern. Das hat Kinder in die Situation versetzt, Überlebensstrategien zu entwickeln. Sie haben also aktiv ihr Leben mitgestaltet. Mit diesem Blick ist es möglich, die „guten Gründe“ für das herausfordernde Verhalten der Kinder zu erkennen und ihre in der Vergangenheit erworbenen Strategien wertzuschätzen. Dadurch wird die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass die Kinder neue Erfahrungen wieder zulassen und sich Vertrauen entwickeln kann.


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